Der Auslöser
Schon lange bevor ich von meiner seltenen Krankheit erfuhr, hörte ich immer wieder von Selbsthilfegruppen, in denen sich Menschen zusammenfanden, die entweder das gleiche Schicksal erfahren haben oder solche, die eine gleiche oder ähnliche „Krankheitsgeschichte“ verband. Ich selbst hatte im familiären Umfeld schon so manche schmerzliche Erfahrung mit schweren Krankheiten oder Tod gesammelt, doch nie waren die Betroffenen bereit, sich durch Gleichgesinnte Hilfe zu holen. Entweder war keine Zeit mehr dazu oder der eigene feste Wille führte zur Genesung und der zurückkehrende Alltag verdrängte die Auseinandersetzung mit der durchlebten Krankheit.
Bis ich im März 2000 wegen ständigem Nasenbluten und zahlreichen blauen Flecken am ganzen Körper zu meinem Hausarzt ging. Nachdem eine erste Untersuchung zu keinem Ergebnis führte, wurde Blut entnommen und zum Labor geschickt. Am nächsten Tag die schockierende Mitteilung von meinem Hausarzt: „In ihrem Blut wurden nur noch 1000 Thrombozyten (Mikrogramm pro Liter) festgestellt, es besteht die akute Gefahr, dass sie bei der kleinsten Verletzung verbluten.
Ich wusste erst einmal gar nicht, was das für mich bedeuten sollte. In der Universitätsklinik erfuhr ich dann nach einigen Untersuchungen von meiner Diagnose, einer chronischen Thrombozytopenie, zum Glück keine Leukämie. Man konnte mir zu der Krankheit nicht viel sagen, außer, dass sie unbekannter Herkunft sei und man durch unterschiedliche Therapieversuche eine Stabilisierung der Thrombozytenwerte erreichen wolle. Ich erhielt die ersten Medikamente und wurde auf längere Dauer krank geschrieben. Zu Hause quälten mich so viele Fragen, die mir niemand beantworten konnte, mein Umfeld war genauso ratlos und wollte mich quasi entmündigen. Jeder wusste einen guten Rat für mich, der mich jedoch seelisch erst einmal in ein tiefes Loch rutschen ließ. Eine Therapie nach der anderen verfehlte ihr Ziel, sodass sich bei mir immer mehr der Gedanke festsetzte, dass mir niemand, außer mir selbst aus dieser Situation heraus helfen konnte. Wenn die Medizin nichts erreichte, so musste ich eben lernen mit meiner Krankheit zu leben. Mit psychologischer Hilfe festigte sich allmählich mein Selbstbewusstsein wieder.
Das war die Zeit, in der auch meine Bereitschaft wuchs, mit anderen ITP-Patienten Kontakt aufzunehmen. Gemeinsam mit meinem behandelnden Arzt, Herrn Dr. Matzdorff, organisierte ich ein ITP-Forum in der Universitätsklinik Gießen. Zu unserem ersten Treffen erschienen 80 Menschen, überwiegend Patienten der Universitätsklinik sowie auch einige Angehörige. Ich spürte, dass ich für die anwesenden Personen durch meine Präsenz und meinen Optimismus eine Art Vorbild darstellte und sie dadurch bereit waren, sich ebenfalls mit ihrer Krankheit auseinander zusetzen. Sie erhielten durch die medizinischen Informationen und meine eigenen Ausführungen Denkanstöße, was sie für sich in die Hand nehmen könnten.