Pathogenese

Die ITP wird als Autoimmunerkrankung eingestuft. In den 50er Jahren wurde gezeigt, daß die Übertragung von Plasma eines Patienten mit ITP bei gesunden Probanden eine reversible Thrombozytopenie auslösen kann. Der pathogene Faktor wurde in die g -Globulinfraktion lokalisiert. Bei 60-80% der Patienten findet man mit modernen Untersuchungsmethoden Autoantikörper gegen Epitope auf den Glykoproteinrezeptoren Ib (von Willebrand-Faktor Rezeptor, Thrombin-Rezeptor) und IIb/IIIa (Rezeptor für Fibrinogen, von Willebrand-Faktor u.a.), seltener sind die Glykoproteinrezeptoren Ia/IIa (Kollagen-Rezeptor), IV (Kollagen-Rezeptor) und V (Teil des Glykoprotein Ib-V-IX-Komplexes, von Willebrand Faktor Rezeptor) betroffen. Einige Patienten haben gleichzeitig Antikörper gegen mehrere der genannten Glykoproteine. Neuere Untersuchungen zeigen, daß bei vielen Patienten das Oberflächenprotein CD40-Ligand (CD154) das Zielantigen darstellt. Das thrombozytäre CD40-L-Protein vermittelt die Interaktion von Thrombozyten und Leukozyten. Die opsonierten Thrombozyten werden dann von Makrophagen im retikulohistiozytären System (Milz, Leber, Knochenmark) gebunden und aus dem Blutstrom entfernt.

Die Thrombozyten-Autoantikörper gehören überwiegend zur IgG-Klasse, in 25% sind es IgM-Antikörper und in <5% IgA. Es hat sich nicht bestätigt, dass bestimmte Antikörperklassen (z.B. IgM) bevorzugt mit einem chronischen Verlauf der ITP assoziiert sind. Bei 20-40% aller Patienten lässt sich mit den heute verfügbaren Methoden kein thrombozytenspezifischer Antikörper nachweisen. Dennoch sprechen viele dieser Patienten auf eine immunsuppressive Therapie an.

Welches Ereignis die Bildung der Thrombozyten-Autoantikörper auslöst ist bisher nicht bekannt. Bei Patienten mit HIV-Infektion wurde gefunden, dass Antikörper gegen das Virusprotein GP120 mit dem humanen Thrombozyten-Glykoprotein IIIa kreuzreagieren. Man nimmt an, dass die Immunreaktion gegen das Virusprotein sich auch gegen das Thrombozyten-Protein richtet und so die Thrombozytopenie auslöst. Es ist nicht bekannt, ob ein ähnlicher, durch eine Infektion ausgelöster Mechanismus auch bei ITP-Patienten ohne HIV-Infektion eine Rolle spielt. Neben der genannten Immunreaktion gibt es bei HIV-infizierten Patienten noch weitere Pathomechanismen die zu einer Thrombozytopenie führen können (Medikamentennebenwirkung, direkte Schädigung der Megakaryozyten durch den Virus).

Thrombozytenantikörper führen bei einigen Patienten nicht nur zu einer vermehrten Destruktion der Thrombozyten. Sie können auch durch die Bindung an die genannten Glykoproteinrezeptoren deren Adhäsions- oder Aggregationsfunktion stören und die Blutungsneigung zusätzlich verstärken (erworbene Thrombasthenie Glanzmann), oder sie aktivieren den Rezeptor (`intrinsic activity´) und führen zu einer gesteigerten Funktion der wenigen Thrombozyten. Dies könnte die stark variierende Blutungsneigung von ITP-Patienten mit vergleichbar niedrigen Thrombozytenwerten erklären.

Es wurde gezeigt, daß Antikörper gegen Thrombozyten-Glykoproteine die Reifung der Thrombozyten aus Megakaryozyten inhibieren können. Sie haben somit zusätzlich zur Destruktion zirkulierender Thrombozyten eine hemmende Wirkung auf die Thrombopoese im Knochenmark. Dies scheint besonders für Antikörpern gegen das Glykoprotein Ib der Fall zu sein, bei anti-GP IIb/IIIa-Antikörper wurde dieser Effekt bisher nicht beschrieben. Eine gegen die Megakaryozyten gerichtete Immunreaktion könnte ältere Befunde erklären, dass bei einigen Patienten mit chronischer ITP nicht nur die Überlebenszeit der zirkulierenden Thrombozyten verkürzt ist, sondern auch die Thrombopoese im Knochenmark.

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